Sektion: Wissenskulturen

Aktuelles

Mit dem neuen Format „Digitaler Pausenhof: Offene Gespräche zu Wissenskulturen der Gegenwart“ lädt die Sektion Wissenskulturen ihre Mitglieder und Interessierte zu einem gemeinsamen Austausch ein.

In der Tradition des literarischen Salons möchten wir ein Diskussionsforum schaffen für Fragen zum Selbstverständnis kulturwissenschaftlichen Arbeitens in der Gegenwart: Welche Bedeutung hat die Reflexion auf Wissenskulturen in Gesellschaften des 21. Jahrhunderts? Welchen Beitrag kann sie liefern für gesellschaftliche Selbstreflexionen im Angesicht einer Vielzahl an grundsätzlichen sozio-kulturellen Herausforderungen dies- und jenseits des Atlantiks: von Polarisierungstendenzen („culture wars“) über ökonomische Ungleichheiten („refeudalization of economy“) bis zur Partikularisierung von Öffentlichkeiten in digitalen Lebenswelten („filter bubbles“)? 

Bei Interesse an einer Teilnahme bitten wir um Anmeldung per E-Mail an: birgit.stammberger[at]uni-luebeck.de. Den Link schicken wir pünktlich vor Veranstaltungsbeginn an alle Interessiere.

Wir freuen uns auf rege Teilnahme, sei es auch nur ein unverbindliches Hereinschnuppern. Auch im Vorfeld sind Ihre und Eure Kommentare und Anregungen zu unserem geplanten Diskussionsforum und möglichen Schwerpunktthemen für Folgetreffen sehr willkommen!

 

Termine:

 

Mittwoch, 23. Oktober 2024 (12–13 Uhr)

Pavla Schäfer (Universität Greifswald) stellt das von ihr geleitete Greifswalder Netzwerk Medical Humanities vor. Ihr Input diskutiert die Potenziale und Herausforderungen interdisziplinären kollaborativen Forschens und fragt, welche Rolle geistes- und kulturwissenschaftliche Fächer in transdisziplinären Forschungsverbünden übernehmen können und wie ihre Potenziale und Leistungen adäquat nach außen kommuniziert werden sollten. Die Vortrags-Präsentation von Pavla Schäfer findet sich hier als pdf zum Download.

 

Mittwoch, 10. Juli 2024 (12–13 Uhr)

Impulsbeitrag von Alexander Friedrich (ZfL Berlin) zum Thema Wissenschaft und Aktivismus: Das Verhältnis von Wissenschaft und Aktivismus hat eine lange Geschichte. In aktuellen Debatten lässt sich unschwer das alte Muster Elfenbeinturm vs. Engagement erkennen. Historisch ist das Verhältnis deutlich vielgestaltiger und mit dem Blick auf die Gegenwart stellt sich die Frage, was vielleicht an neuen Aspekten hinzugekommen ist. Wie gestaltet sich das Verhältnis von Wissenschaft und Aktivismus unter Bedingungen neuer Dringlichkeit? Wie kann und wie sollte es sich (aus welchen Gründen) gestalten? Ausgehend von Diskussionen, die aktuellen zu dem Thema am Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung geführt werden, lädt das nächste Sektions-Treffen zu weiteren Beobachtungen und Überlegungen zu diesen Fragen ein.

 

Donnerstag, 7. März 2024 (12–13 Uhr)

Alfred Nordmann (TU Darmstadt) lädt zum tagesaktuellen Austausch über die Frage, wie sich der Ukraine-Krieg – persönlich und konkret – auf unsere wissenskulturelle Forschung auswirkt, welche Strategien wir im Umgang mit ihnen entwickelt haben und wo wir in Zukunft dezidierter auftreten könnten. Weitere Vorschläge für das nächste Online-Treffen im Juni wollen wir im Anschluss an dieses erste Gespräch gemeinsam entwickeln.

Kontakt

Dr. phil. Birgit Stammberger (Zentrum für Kulturwissenschaftliche
Forschung Lübeck): birgit.stammberger@uni-luebeck.de

Sprecher*innen

Prof. Dr. Alfred Nordmann (Darmstadt)
Dr. Manuel Reinhard (Hamburg)
Dr. Birgit Stammberger (Lübeck)

Kurzbeschreibung

Das Wissen von Individuen und Gemeinschaften wird durch vielfältige epistemische Praktiken konstituiert, auf deren Grundlage sich unterschiedliche Wissenskulturen und Wissenstraditionen ausbilden. Die Sektion Wissenskulturen untersucht – in gegenwärtiger und historischer Perspektive – kommunikative Praktiken, mediale Bedingungen und technische Verfahren ebenso wie soziale Normen und Prinzipien der Genese von und des Umgangs mit Wissen und Nichtwissen in verschiedenen Wissenskulturen.

Die Beschäftigung mit Wissens- und Nichtwissenskulturen soll dabei anhand unterschiedli­cher Diskurse (wie z.B. politische Diskurse, Wissenschaftsdiskurse, Krisendiskurse oder Kunstdiskurse) erfolgen. Auf diese Weise werden die unterschiedlichen Kulturen und Tradi­tionen der Konstitution und Distribution von Wissen und Nicht-Wissen durch die vielfältigen medialen und kommunikativen Praktiken in den Blick genommen. Zudem möchte die Sektion erörtern, inwiefern soziale Akteure sich unter Rückgriff auf in kommunikativen Handlungen konstituiertes Wissen und Nichtwissen widerstandsfähig gegenüber Herausfor­derungen ihrer herkömmlichen Handlungs- und Denkweisen, ihrer gewohnten Kommuni­kationsroutinen oder vorherrschender Wissensordnungen machen.

Die Sektionsarbeit umfasst zudem die Erörterung unterschiedlicher Wissens- und Nichtwissenskonzeptionen sowie grundlegende Reflexionen über die Anwendbarkeit disziplinär etablierter Methoden und deren interdisziplinärer Verknüpfung.

Konzeptpapier

Das Wissen von Individuen und Gemeinschaften wird durch vielfältige epistemische Praktiken konstituiert, auf deren Grundlage sich unterschiedliche Wissenskulturen und Wissenstraditionen ausbilden. Die Sektion Wissenskulturen untersucht – in gegenwärtiger und historischer Perspektive – kommunikative Praktiken, mediale Bedingungen und technische Verfahren ebenso wie soziale Normen und Prinzipien der Genese von und des Umgangs mit Wissen und Nichtwissen in verschiedenen Wissenskulturen. Die Konstitution, Kommunikation und Aneignung von Wissen gilt dabei nicht nur als individueller, sondern ebenso als genuin sozialer Prozess. Gleichsam ist das, was nicht gewusst wird, Ergebnis von Aushandlungs- und Zuschreibungsprozessen. Auch die Grenzen von Wissen werden auf diese Weise diskursiv immer auch neu ausgelotet: Was kann eine kulturelle Gemeinschaft wissen, was will sie wissen und was nicht? In solchen Aushandlungsprozessen geht es allerdings nicht nur um Wissen und seine diskursive Durchsetzung, sondern zugleich um die Aktualisierung unterschiedlicher Konzeptualisierungen von Wissen und Nichtwissen (bspw. wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen, ‚hartes‘ naturwissenschaftliches und ‚weiches‘ geisteswissenschaftliches Wissen, explizites und implizites Wissen, Noch-nichtgenug-Wissen, fahrlässiges Nichtwissen und Nicht-Wissen-Können). Prozesse der Grenzziehung sowie der historischen Verschiebung und Rekonstitution solcher Grenzen prägen darüber hinaus auch das Verhältnis von wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Wissenskulturen sowie das Verhältnis des wissenschaftlichen Wissens zu anderen Wissensformen. Dabei ist der Medienbegriff eng mit dem Begriff der Wissenskulturen verbunden, weshalb sich hier Fragen nach den kommunikativ-diskursiven Bedingungen und Grenzen des Wissens in Wissenschaft sowie in anderen Bereichen stellen sowie danach, wie sprachliche, bildliche oder auch filmische Medien das Wissen in unterschiedlichen Wissenskulturen ordnen und so auch mit-konstituieren.

Wie innerhalb verschiedener Wissenskulturen mit Wissen und Nichtwissen umgegangen wird, lässt zum Beispiel Rückschlüsse auf Denkstile, Mentalitäten und Identitäten zu: Die Sektion möchte danach fragen, ob und wie sich aus der Beobachtung kommunikativer und medialer Praktiken unterschiedliche Kulturen von Wissen und Nichtwissen ableiten lassen. Zudem möchte die Sektion erörtern, inwiefern soziale Akteure sich unter Rückgriff auf in kommunikativen Handlungen konstituiertes Wissen und Nichtwissen widerstandsfähig gegenüber Herausforderungen ihrer herkömmlichen Handlungs- und Denkweisen, ihrer gewohnten Kommunikationsroutinen oder vorherrschender Wissensordnungen machen. Dabei ist das, was jeweils als „existenzbedrohend“ wahrgenommen wird – wie z.B. innerhalb der Wissenschaft unvertraute theoretische Überlegungen, Vorgehensweisen und Schlussfolgerungen –, ebenfalls Resultat von diskursiven Aushandlungs- und Durchsetzungsprozessen. Mit dieser Fragestellung knüpft die Sektion an den Resilienzbegriff an. Während Resilienz bislang vor allem Gegenstand der individualpsychologischen und naturwissenschaftlichen Forschung gewesen ist, werden somit auch kulturelle Dimensionen der Resilienz betrachtet.

Die Beschäftigung mit Wissens- und Nichtwissenskulturen kann dabei anhand unterschiedlicher Diskurse (wie z.B. politische Diskurse, Wissenschaftsdiskurse,
Krisendiskurse oder Kunstdiskurse) erfolgen. Auf diese Weise werden die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen der Konstitution und Distribution von Wissen und Nicht-Wissen durch die vielfältigen medialen und kommunikativen Praktiken in den Blick genommen. Dabei sollen in den nächsten Jahren in Form von Tagungen und Publikationen u.a. folgende grundlegende Aspekte über den Zusammenhang von Wissen und Kultur erörtert werden:

    • Was ist der spezifische Stellenwert der Wissenschaften sowie weiterer Instanzen der Wissenskonstitution in Wissenskulturen?
    • Wie wird Wissen in verschiedenen Medien, etwa in Bild und Film, sozialen Netzwerken oder auch in der Literatur und in den Künsten konstituiert und kommuniziert? Weiter treten hier Fragen nach den Zusammenhängen zwischen einzelnen Medien und Formen der Hierarchisierung von Wissen auf sowie Fragen nach der Medialisierung, Popularisierung oder auch der Ästhetisierung von Wissen.
    • Wie wirken sich historische und gegenwärtige Prozesse der Medienwandels wie die Ausbildung der Druckkultur oder die Digitalisierung auf die Konstitution von Wissenskulturen aus? Wie generieren sich etwa Wissens- und Handlungsschemata unter den gegenwärtigen Bedingungen globaler Verdatung und Vernetzung auf verschiedenen Plattformen bzw. sozialsemiotischen Umgebungen? Inwiefern tragen Medien dabei auch zu einer Ausdifferenzierung und Komplexitätssteigerung des Wissens bei – und schaffen damit zugleich die Notwendigkeit der Entwicklung von Meta-Medien (z.B. Such-, Orientierungs- und Zugriffshilfen), die Wissen verfügbar machen?
    • Welche Rolle spielt nicht anerkanntes Wissen (sogenanntes Kassandra-Wissen, z. B. im Bereich der Homöopathie) in der Gesellschaft? Worauf basiert die Anerkennung bzw. Nicht-Anerkennung, wie wird diese ausgehandelt und welche Handlungsfolgen ergeben sich daraus?
    • Welche unterschiedlichen Praktiken der Grenzziehung und Verständigung zwischen verschiedenen Wissenskulturen und Wissensformen sowie damit verbundene interkulturelle und intertraditionale Prozesse treten auf? Wie stehen diese Praktiken in Zusammenhang mit der Institutionalisierung und Hierarchisierung sowie mit der Heterogenität und Pluralisierung von Wissenskulturen?
    • Inwiefern ist Wissen eine (kulturelle) Ressource der Resilienz von sozialen Einheiten/Gruppen?

Die Sektionsarbeit umfasst auch die Erörterung unterschiedlicher Wissens- und Nichtwissenskonzeptionen sowie grundlegende Reflexionen über die Anwendbarkeit disziplinär etablierter Methoden und deren interdisziplinärer Verknüpfung.