Sektion: Sprache und kommunikative Praktiken
Kurzbeschreibung
Kulturwissenschaftliche Sprachauffassungen gehen von normalsprachlicher Medialität als einer unhintergehbaren Voraussetzung für Interpretationen von Kulturen und verschiedenen Zugehörigkeiten, aber auch für eine Kultur selbst, aus. Diese kontextualistischen und reflexiven Ansätze beziehen sich auf methodologisch geschärfte Weiterentwicklungen der im 19. und 20. Jahrhundert beginnenden hermeneutischen Traditionen, aber auch auf ethnomethodologisch-ethnographische, postmoderne und anthropologische Theorien. Der Begriff ›Kommunikative Praktiken‹ soll die Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen Interaktanten und auch das gesamte Spektrum an Ausdrucksressourcen (Bild, Ton, Geste etc.) – sowie deren (multimodale) Kombinationen – umfassen. Diskutiert werden soll dabei insbesondere, wie kommunikative Praktiken genutzt werden, um zwischen gesellschaftlichen Mikro- und Makro-Perspektiven zu vermitteln.
Kontakt
Dr. Miriam Lind (Johannes Gutenberg-Universität Mainz): miriamlind@uni-mainz.de
Dr. Rita Vallentin (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder): vallentin@europa-uni.de
E-Mail-Adresse der Sektion: sektion-sprache@kwg-ev.org
Sektionsarbeit
In der Sektion sollen in grundlegende Fragen über den Zusammenhang von Sprache, kommunikativen Praktiken und Kultur, aber auch von Sprachtheorie, Semiotik und Kulturtheorie diskutiert werden. Dazu gehört die Thematisierung von interdisziplinären kulturwissenschaftlichen Theorien der Sprache, Medialität, Materialität und Kommunikation, der Übersetzung, (Sprach-)Reflexivität, (Sprach-)Kritik, kulturspezifischer Multimodalität, Narrative der Kultur(en) sowie die Diskussion einer Anthropologie von Sprache und Mehrsprachigkeiten.
An einer Mitarbeit interessierte Forschende sind gebeten, die Sektionsleitung per Email zu kontaktieren. Über einen Newsletter für die Sektionsmitglieder werden aktuelle Informationen zur Arbeit der Sektion, Calls for Papers, Tagungsankündigen u.ä. verbreitet. Auf den jährlichen Tagungen der Kulturwissenschaftlichen Tagung trifft sich die Sektion zu Workshops und Diskussionen zum jeweiligen Tagungsthema sowie zu allgemeineren aktuellen Fragen einer kulturanalytisch ausgerichteten Sprach- und Interaktionsforschung. Darüber hinaus soll ein jährliches Sektionstreffen stattfinden.
Konzeptpapier
Kulturen entstehen immer in Zeichensystemen. Das Zeichensystem Sprache ist jedoch so selbstverständlich, dass unsere Alltagspraktiken, aber auch wissenschaftliche Kulturanalysen, diese Voraussetzung sprachlicher Primordialität kaum thematisieren. Dabei stellt die empirische Analyse des in kommunikative Praktiken eingebetteten Sprachgebrauchs einen etablierten Weg dar, die dynamische Hervorbringung von Kultur im Alltag ihrer Akteure methodisch greifbar zu machen und sie so zu rekonstruieren. Mit Blick auf das kommunikative Potenzial der hierbei verwendeten semiotischen Verfahren und deren funktionale Systematik – in gruppenbezogener wie in sprach- und kulturvergleichender Perspektive – stellt ein derartiger Gegenstandsbereich zugleich eine Herausforderung für vorherrschende Sprachtheorien dar.
Während formale und logische Sprachtheorien nämlich dazu tendieren, sprachliche Systeme von der Laut- bis zur Textebene aus ihren kommunikativen Verwendungszusammenhängen weitgehend herauszulösen, und komplementär versuchen, der als Defizit wahrgenommenen Unschärfe alltäglichen Sprachgebrauchs durch die Einführung eines formalisierten Sprachsystems beizukommen, gehen kulturwissenschaftliche Sprachauffassungen von normalsprachlicher Medialität als einer unhintergehbaren Voraussetzung für Interpretationen von Kulturen und verschiedenen Zugehörigkeiten, aber auch für Kultur selbst, aus. Dabei beziehen sich diese kontextualistischen und reflexiven Ansätze auf methodologisch geschärfte Weiterentwicklungen der im 19. und 20. Jahrhundert beginnenden hermeneutischen Traditionen, auf ethnomethodologisch-ethnographische, auf postmoderne und auf anthropologische Theorien.
Für die empirische Forschung stellen die Manifestationen von kommunikativen Praktiken etwa als Texte, Diskurse und Gespräche den bevorzugten Zugang dar, insbesondere auf der Basis ihrer Medialität und Materialität. Dabei wird ein weiter Begriff von kommunikativen Praktiken zu Grunde gelegt, der die Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen Interaktanten und auch das gesamte Spektrum multimodaler Ausdrucksressourcen (Bild, Ton, Geste etc.) einschließt. Kommunikative Praktiken sind historisch-diskursiv kontextualisiert und können in allen Bereichen Gattungen oder andere Verfestigungen ausbilden. Derartige diskursiv-sprachliche Verdichtungen stehen in einem reflexiven Verhältnis zu ihren jeweiligen kulturspezifischen Kontexten und schreiben sich ein in Prozesse von Vergemeinschaftung, Abgrenzung und Gruppenbildung. Sie sind somit gleichzeitig Zeugnisse und Triebkräfte der Kulturbildung bzw. -entwicklung: Ausgehend von dieser Wechselwirkung stehen Variation und Wandel, Kohärenz, Konflikt und Kontingenz im Zentrum des Themenspektrums der Sektion.