Sektion: Naturen/Kulturen
Konzeptpapier
Das Verhältnis zwischen Natur und Kultur unterliegt nicht erst seit dem Wissen um die Grenzen des Wachstums, den neuen Entwicklungen in der Biologie und der globalen Klimakrise einem starken Wandel. Bereits seit mehreren Dekaden wird Natur nicht mehr nur als Ressource, Schutzgebiet, Rückzugsraum und Inspirationsquelle betrachtet, sondern sie gilt als durch menschliche Eingriffe und nach kulturellen Vorgaben veränderte und im planetarischen Maßstab überformte Natur (Anthrome). Die Kulturwissenschaften sind herausgefordert, immer wieder neu zu begründen, wie sie die sich in Transformation befindenden Verbindungen zwischen Natur(en) und Kultur(en) konzipieren und wie geistes- und kulturwissenschaftliches Wissen einerseits und lebens- und umweltwissenschaftliches Wissen andererseits miteinander in Beziehung stehen. Dabei gerät unter dem Vorzeichen intensivierter Globalisierung auch in den Blick, dass ganz unterschiedliche NaturenKulturen-Verhältnisse in verschiedenen Gesellschaften existieren und miteinander in Konflikt geraten können. Der historische Wandel der NaturenKulturen-Beziehungen tangiert somit nicht nur unsere Untersuchungsfelder, sondern auch die (inter)disziplinäre Konstitution der Kulturwissenschaften, ihren häufig noch wenig hinterfragten Anthropozentrismus, ihre globale Verfasstheit sowie die Grenzen und Bestimmungen des Menschlichen (Anthropos).
Kontakt
Prof. Dr. Gabriele Dürbeck (Universität Vechta): gabriele.duerbeck(at)uni-vechta.de
Die geplante Sektion hat vier Ziele:
- Erstens will die Sektion ein Forum schaffen, um kulturwissenschaftlich relevante Fragen zu Natur-/Kultur(en)-Verhältnissen zu identifizieren, neue Impulse für die Entwicklung von Forschungsschwerpunkten und Tagungsthemen zu geben und die weitere Forschungsvernetzung in diesem breiten Feld zu fördern.
- Zweitens will die Sektion dazu beitragen, dass vielfach aus dem angelsächsischen Bereich kommende Diskussionen, wie etwa der Ecocriticism und die Cultural Animal Studies, im deutschsprachigen stärker Fuß fassen können, ohne dass die spezifischen deutschen Traditionslinien (z.B. Naturphilosophie, Phänomenologie, Kritische Theorie) aufgekündigt werden, sondern in die Diskussion der Environmental Humanities (von der Literatur- und Kulturwissenschaft über Sozial- und Kulturanthropologie und Umweltgeschichte bis zur Ästhetik, Philosophie und Ideen- geschichte) aufgenommen und aufeinander bezogen werden.
- Drittens möchte die Sektion neue Formen und innovative Formate für den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften entwickeln.
- Viertens unterstützt und vernetzt die Sektion den kulturwissenschaftlichen Nachwuchs im Themenfeld Naturen/Kulturen und bemüht sich speziell um die Entwicklung von geeigneten Förder- und Vernetzungsinstrumenten für Nachwuchswissenschaftler_innen.
Mögliche thematische Schwerpunkte der Sektionsarbeit speisen sich aus den Interessen und Arbeitsgebieten ihrer Mitglieder und können unter anderem umfassen:
- inter- und transdisziplinäre Anthropozän-Forschung, wobei die Kulturwissenschaften als Reflexionsmedium dienen
- Mensch-Tier-Verhältnisse, das Zusammenleben unterschiedlichster Lebewesen und Gattungen
- Wechselwirkungen zwischen Evolutionstheorie und Kulturgeschichte
- Wechselseitige Metaphorisierungen und Modellierungen von Natur(en) und Kultur(en)
- Umweltgeschichte/Environmental Studies
- Konzepte und Begriffe des Lebens in Transformation
- Landschaft als Darstellungsmedium und Darstellungsweise in Literatur, Wissenschaft und in den Künsten
- (Proto-)Techniken der Natur, wenn die Natur als Vorbild für technische Entwicklungen genommen wird (z.B. Bionik) oder der Körper durch Technik kurativ oder ästhetisch verändert, erweitert und modelliert wird (z.B. Prothetik)